Salehs Geschichte: Die Sprache ist der Schlüssel

Raus aus dem Krieg

SalehDer 18-jährige Saleh aus dem Irak lebt seit Dezember 2015 in Garbsen.

Ein deutsches Wort kannte der 18-jährige Saleh Qasim, als er am 28. Dezember 2015 nach Garbsen kam: „Ich.“ 20 Tage lang hatte seine Flucht aus der nordirakischen Stadt Shingal bis nach München gedauert – zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Bus und zuletzt mit dem Boot. Saleh ist noch immer bewegt, wenn er von der zweistündigen Überfahrt mit dem Boot von der Türkei bis nach Griechenland spricht – eingepfercht in einem Schlauchboot mit 35 anderen Flüchtlingen auf dem Weg über das Mittelmeer zur griechischen Insel Samos. „In diesen zwei Stunden hatte ich Todesangst“, sagt der 18-jährige, „denn ich kann nicht schwimmen.“

Große Angst um sein Leben hatte der jungen Mann auch in seiner Heimatstadt: Shingal liegt in der Nähe der syrischen Grenze nahe der Stadt Mossul und Mossul im Einflußgebiet des sogenannten Islamischen Staates. „Der Krieg hat mein Heimatland zerstört“, sagt Saleh, die Städte seien komplett kaputt. „Es gibt keine Schulen, keine Ausbildungsmöglichkeiten.“ Und keine Perspektive, seinen Berufswunsch zu verwirklichen. Der 18-Jährige hatte zuletzt die zwölfte Klasse absolviert, wollte Lehrer werden.

 

Von Samos nach Garbsen

„Einer der glücklichsten Momente in meinem Leben war unsere Ankunft in Samos“, sagt Saleh. Über die Balkanroute reiste er weiter nach München und von dort nach Garbsen. Sein Ziel: die Familie seiner Tante, die schon sechs Jahre im Stadtteil Auf der Horst lebt. „Das Familienleben ist mir sehr wichtig“, sagt Saleh, der vier Schwestern und drei Brüder hat. Im Irak ließ er seine Geschwister, Eltern, seine Oma und viele Freunde zurück. Er hält mit ihnen Kontakt via Smartphone.

Anmeldung im Garbsener Rathaus, dort empfiehlt das Team erste Sprachkurse in Neustadt, Besuch der Sprachlernklasse in der dortigen BBS: „Die Sprache ist das wichtigste, der Schlüssel“, sagt Saleh. Er spricht kurdisch und arabisch, englisch und inzwischen immer besser deutsch. Seine Klassenkameraden sind multikulturell, stammen aus Syrien, Afghanistan oder wie er aus dem Irak. Seit dem Frühjahr 2017 drückt Saleh auch in seiner Freizeit die Schulbank. Dreimal wöchentlich besucht er die Sprachkurse, die der Garbsener Integrationsbeirat in der ehemaligen Förderschule anbietet.

 

Ich werde begleitet

Einer seiner Begleiter und gleichzeitig Lehrer und Mentor ist Rudolf Hofmann, ehemaliges Ratsmitglied, Ehrenamtlicher bei den Nachtwanderern und Mitglied im Integrationsbeirat. „Saleh ist einer der eifrigsten Schüler“, sagt Hofmann. Und der 81-Jährige betreut Saleh nicht nur beim Deutschlernen und Behördengängen, sondern hat ihn auch zu dem Nachtwanderern mitgenommen. „Sprache lässt sich am besten im Alltag lernen“, sagt Hofmann. „Noch immer ist hier in Garbsen alles sehr neu für mich, diese Kontakte helfen mir sehr beim Ankommen“, betont Saleh. Auch Hofmann schätzt die Begegnung mit Saleh und die regelmäßigen Treffen. Und er unterstützt Saleh bei seinem nächsten Ziel: die Verlängerung der vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung, die bis Dezember gilt. Im August begleitet er ihn zu seiner Anhörung nach Bad Fallingbostel. Fällt sie positiv aus, möchte Saleh eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement beginnen – und weiter in Garbsen wohnen.

„Richtig etabliert ist man hier nur, wenn man die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“,sagt Saleh, der aktuell nicht einmal eine Gesundheitskarte besitzt. „Im Moment lebe ich zwischen Tür und Angel.“